Die Kunst der Führung ist komplex und vielfältig. 2002 spricht Daniel Goleman in seinem Buch „Primal Leadership – Unleashing the Power of Emotional Intelligence“ von sechs Führungsstilen – autoritär, zwanghaft, demokratisch, empathisch, aufdringlich und motivierend – und hat damit ein Fundament für das Verständnis unterschiedlicher Führungsstile gelegt. Doch sind das schon alle?
Ein erfolgreicher Führungsstil wird nicht nur durch individuelle Einstellungen und persönliche Präferenzen geprägt, sondern durch eine komplexe Anpassung an die einzigartigen Persönlichkeiten, Stärken und Schwächen der Teammitglieder, die gesetzten Ziele und die aktuelle Situation des Unternehmens.
In diesem Artikel betrachten wir die Vielfalt der Führung im Wandel der Zeit.
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Die Vielfalt der modernen Führungsstile
In einer Führungsposition genügt es nicht, sich auf autoritäre, zwanghafte, demokratische, empathisch, aufdringliche oder motivierende Ansätze zu beschränken: Um den Anforderungen der heutigen Arbeitswelt gerecht zu werden, müssen Führungskräfte vor allem zuhören und Menschen begleiten können. Erweitern wir also das klassische Spektrum der Führungsstile von Goleman um den visionären Führungstil, den sanften Führungsstil, der von Guido Stratta, Head of People and Organisation der Enel-Gruppe, beleuchtet wird, sowie um den femininen Führungsstil, der von Silvia Zanella, Leiterin der Abteilung Employee Experience bei EY Italien, Spanien und Portugal und Expertin zum Thema Female Leadership, vorgeschlagen wurde – für ein umfassenderes Bild.
Im Spotlight: 8 moderne Führungsstile
Werfen wir einen Blick auf 8 verschiedene modernen Führungsstile, die in der heutigen Zeit an Bedeutung gewonnen haben. Was charakterisiert sie, welche Soft Skills sind gefragt und in welchen Situationen können sie am besten eingesetzt werden?
1) Autoritärer Stil
Bei einem autoritären Führungsstil ist das Ziel, Unsicherheiten und Zweifel zu beseitigen, indem eine klare Richtung vorgegeben wird. Diese fördert die Motivation, das Zugehörigkeitsgefühl zur Gruppe und eine starke persönliche Beziehung zum Leiter, der die Verantwortung für den Erfolg der einzelnen Maßnahmen übernimmt.
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- Soft Skills
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Initiative, Selbstbeherrschung, Erfolgswille mit „koste es, was es wolle“-Denken.
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- Wann passt der autoritäre Stil am besten?
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Zur Bewältigung einer Krise oder eines Umschwungs, beispielsweise bei der Neuaufstellung einer ganzen Abteilung. Auf einen begrenzten Zeitraum ausgelegt, kann dieser Stil besonders erfolgreich sein, längerfristig sollte er nur dosiert eingesetzt werden, da es sonst zu Motivationsverlust und zu Burnout im Team kommen kann, das unter dem Druck leidet, den dieser Führungsstil auf die Mitarbeiter:innen ausübt.
2) Demokratischer Stil
Eine demokratische Führung verleiht den Ideen der Mitarbeiter:innen einen Wert, indem sie die Vision der gesamten Organisation mit dem Team teilt. So wird die übergeordnete Vision zu einem gemeinsamen Ziel und die Gruppe und ihre Mitglieder sind aufgefordert, sich zu äußern, weil jeder Beitrag wichtig ist und demokratisch in die Strategie zum Erreichen des gemeinsamen Ziels einfließt.
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- Soft Skills
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Zusammenarbeit, Kommunikation und Interesse an anderen Meinungen
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- In welchen Situationen passt der demokratische Stil am besten?
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In Situationen, die ein starkes Engagement des Teams und den Input jedes einzelnen Menschen darin erfordern, um gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Gerade in Situationen, die für alle neu sind, in der niemand Experte, sondern alle mehr oder weniger Laien sind, wie etwa bei der Einführung eines neuen Systems oder Arbeitsablaufs.
3) Empathischer Stil
Der empathische Führungsstil bemüht sich um den Aufbau von Beziehungen und Harmonie innerhalb des Teams. Wer so führt, entwickelt die Motivation, indem er Menschen in Bezug auf ein gemeinsames Ziel miteinander verbindet. Aus diesem Verbundenheitsgefühl, diesem Teamgeist heraus zu führen bedeutet vor allem das eigene Team wirklich zu kennen und zu verstehen.
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- Soft Skills
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Einfühlungsvermögen, Geduld und Konfliktmanagement
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- Wann passt der empathische Stil?
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Im Gegensatz zum autoritären Stil, bietet sich ein empathischer Führungsstil vor allem in Situationen mit hohem Stresspotenzial an. Situationen, in denen der Druck auf das gesamte Team, aber auch auf einzelne Mitglieder steigt. Wer so führt, nutzt Empathie als Instrument zur kollektiven Problemlösung, begleitend und schützend. Dieser Stil eignet sich beispielsweise, um das Team durch einen anspruchsvollen Wettbewerb oder die “heiße Phase” eines Projekts zu führen.
4) Aufdringlicher Stil
Wer den aufdringlichen Führungsstil wählt, schlägt anspruchsvolle Ziele vor und legt Wert darauf, die Motivation durch die eigene, stetige Präsenz hoch zu halten. Diese Art des Führens übt Druck auf das Team oder einzelne Teammitglieder aus und sollte deshalb mit Bedacht dosiert werden, um Burnout zu vermeiden. Wird dieser Führungsstil zu sehr verinnerlicht, entwickelt er sich schnell zu einer Form von Micromanagement und kontraproduktiv.
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- Soft Skills
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Eigeninitiative und Erfolgswillen
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- Wann lohnt es sich, aufdringlich zu führen?
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Der aufdringliche Führungsstil bietet sich in Situationen an, in denen man hoch hinaus und ein ambitioniertes Ziel erreichen will. Durch die ständige Präsenz im Team und in den Arbeitsabläufen besteht jedoch die Gefahr, dass Micromanagment das Ruder übernimmt, was im Team bekanntermaßen zu enormem Stress und Burnout durch Überarbeitung führen kann.
5) Motivierender Stil
Der motivierende Führungsstil setzt darauf, die Ziele des Einzelnen mit denen des ganzen Unternehmens zu verknüpfen. Dabei ist es wichtig, dem Team das Gefühl zu vermitteln, dass die eigenen Ziele von Bedeutung für die gesamte Organisation sind und somit die Motivation der Mitarbeitenden zu fördern. Im Gegensatz zum demokratischen und zum empathischen Ansatz wird hier nicht von groß (der Organisation) auf klein (der/die einzelne MitarbeiterIn) projiziert, sondern umgekehrt.
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- Soft Skills
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Achtsamkeit, aktives Zuhören und Einfühlungsvermögen
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- Wann ist der motivierende Stil effektiv?
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In Situationen, in denen Sie in die langfristige Beschäftigungsfähigkeit investieren wollen, bietet sich der motivierende Stil besonders an, da er das Verbundenheitsgefühl mit dem Unternehmen fördert. Alle Ansätze bei denen Mitarbeiter:innen im Vordergrund stehen sollen bieten sich für diesen Führungsstil an.
6) Visionärer Stil
Der visionäre Führungsstil regt Menschen dazu an, einen Traum zu teilen, eine Berufung, die sie gemeinsam anstreben. “Im Großen denken” ist hier das Stichwort. Dieser Führungsstil ist typisch für Start-Ups oder innovative Unternehmen, die noch in einer Entwicklungsphase stecken oder sich noch nicht auf das Produkt konzentrieren können.
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- Soft Skills
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Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen und Durchhaltevermögen
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- Wann passt es, visionär zu führen?
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Dieser Stil kann gleichermaßen fordernd und inspirierend sein und dabei helfen eine Vision zu definieren. Deshalb eignet er sich vor allem bei Start-Ups oder Unternehmen, die eine neue Richtung einschlagen wollen und noch an ihrer Positionierung auf dem Markt arbeiten.
7) Sanfter Stil
Dieser Führungsstil baut auf zwei Säulen auf. Zum einen stützt er sich auf aktive Ausführung und zum anderen baut er auf Einfühlungsvermögen. Bei diesem Führungsstil geht es darum, Menschen und ihre Talente zu fördern. Jedes Teammitglied wird aufgrund der eigenen Fähigkeiten geschätzt und gefördert.
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- Soft Skills
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Aktives Zuhören, Einfühlungsvermögen und Ermutigung
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- Wann sollten Sie sanft führen?
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In Situationen, in denen Talente aufgrund festgefahrener Muster und überholter Hierarchien vergeudet werden. Besonders wenn sich eine Organisation von solchen Hierarchien verabschieden will, um auf Strukturen zu setzen, die von Inspiration, Motivation und kollektiver Verantwortung geformt werden.
8) Femininer Stil
Der feministische Führungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass er Talente erkennt, sie fördert und zu seiner Stärke macht. Es geht darum, selbst in komplexen und schnelllebigen Ökosystemen, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
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- Soft Skills
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Zuhören, Vertrauen, Einbeziehung und Zusammenarbeit
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- Wann sollten Sie auf den femininen Stil setzen?
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In Situationen, die durch rasche Veränderungen und eine große Vielfalt an beteiligten Personen gekennzeichnet sind. Im Gegensatz zum autoritären Führungsstil, bei dem alles auf „Befehl und Kontrolle“ ausgerichtet ist.